Ein Beispiel für Architektur im Dienste der dualen Berufsbildung


In Villaz-Saint-Pierre setzt der Campus Le Vivier als innovatives Modell für ein Berufsbildungsgebäude neue Massstäbe. Entworfen vom Büro deillon delley architectes und realisiert in Zusammenarbeit mit Implenia, verfolgte der Bau das Ziel, Nachhaltigkeit mit Vielseitigkeit zu verbinden und so den unterschiedlichen Anforderungen der Berufsverbände gerecht zu werden. Dieses im Kanton Freiburg einzigartige Projekt bietet eine multifunktionale, flexible und umweltfreundliche Stätte für die Ausbildung. Bei der Einweihung am 7. November 2024 waren Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wirtschaft anwesend.

Der Campus Le Vivier in Villaz- Saint-Pierre ist weit mehr als nur ein Gebäude für die Berufsbildung. Er verkörpert eine architektonische Vision, die die Vielfalt der Berufe, Nachhaltigkeit und Zukunftsorientierung vereint. Der Campus wurde für ein Dutzend Berufsverbände konzipiert – von der Coiffeurbranche über Zimmerleute bis hin zu den Autoberufen – und ist ein Ort, an dem räumliche Flexibilität und intelligentes Ressourcenmanagement im Mittelpunkt stehen. Der Architekturwettbewerb, den das Büro deillon delley architectes in Partnerschaft mit Implenia gewann, stellte eine besondere Herausforderung dar. Es ging nämlich nicht nur um die Planung eines Gebäudes, sondern auch um die Bereitstellung eines Grundstücks – eine Premiere im Kanton Freiburg. «Wir mussten die Bedürfnisse vieler Berufsgruppen unter einen Hut bringen, was bedeutete, dass wir unterschiedliche technische Parameter wie Deckenhöhen, Lichtverhältnisse oder Akustik berücksichtigen mussten», erklärt Alexandre Delley, der verantwortliche Architekt für das Projekt.

Eine Architektur ganz im Dienste der Berufe

Von Beginn an legte Alexandre Delley grossen Wert darauf, ein Bauwerk zu schaffen, das den vielfältigen Anforderungen der verschiedenen Berufszweige gerecht wird. Da jeder Beruf spezifische Bedürfnisse mit sich bringt, mussten bei der Planung besondere Parameter wie unterschiedliche Deckenhöhen, spezielle Beleuchtung und angepasste Akustik für die Bau- und Autoberufe einbezogen werden. «Zehn verschiedene Branchen in einem Gebäude zu vereinen, bedeutete, dass wir ein verbindendes Element finden mussten», erklärt der Architekt. Dieses Verbindungselement wurde in Form von Gemeinschaftsräumen mit zwei Innenhöfen realisiert: Einer ist den Bauberufen, der andere den Autoberufen vorbehalten. Dieses durchdachte Konzept bietet nicht nur massgeschneiderte Arbeitsräume für jede Branche, sondern schafft auch Begegnungsräume zwischen den verschiedenen Fachgebieten und fördert so den Austausch und die Zusammenarbeit unter den zukünftigen Fachkräften. Auch die Wahl der Materialien spielte eine zentrale Rolle bei der Gestaltung des Campus. Der industrielle Charakter des Gebäudes zeigt sich in der Verwendung von rostfreiem Stahl für die Fassaden und den grosszügigen Fensterfronten, die von der Kantonalstrasse aus einen direkten Blick auf die Arbeitsräume ermöglichen. Im Inneren betonen Rohbeton, Sichtmauerwerk und Holz diese minimalistisch-funktionale Ästhetik und sorgen gleichzeitig für eine langlebige Beständigkeit. «Wir wollten, dass das Gebäude die Eigenheiten der hier ausgeübten Arbeit widerspiegelt: roh, funktional, aber zugleich offen und einladend für die Lernenden», betont Alexandre Delley.

Ein starkes Engagement für Nachhaltigkeit

Der Campus Le Vivier überzeugt nicht nur durch seine architektonischen Qualitäten, sondern auch durch sein Engagement für Nachhaltigkeit. Bei der Planung wurden zahlreiche Massnahmen ergriffen, um die Umweltbelastungen zu minimieren – sowohl in Bezug auf die verwendeten Materialien als auch auf die eingesetzten Technologien. Der mit dem Minergie-P- ECOLabel versehene Campus setzt auf Materialien wie Recyclingbeton und Schweizer Holz, was den CO₂-Fussabdruck des Pro jekts erheblich reduziert. «Wir haben bestimmte chemische Komponenten bei den verwendeten Materialien ausgeschlossen und die Gebäudestruktur so flexibel und anpassungsfähig gestaltet, dass eine langfristige Beständigkeit gewährleistet ist», fügt Alexandre Delley hinzu.

Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit

Ein besonders sichtbares Zeichen dieses nachhaltigen Engagements ist die Installation von 4000 m² Solarpanels auf dem Dach des Gebäudes, die eine saubere Energieerzeugung ermöglichen. Durch ein Eigenverbrauchsnetz (ZEV) mit einem benachbarten Industriegebäude wird der auf dem Campus erzeugte Strom auch bei geringer Nutzung des Gebäudes, insbesondere im Sommer, optimal genutzt. Dieses intelligente Energiemanagement zeigt, wie Nachhaltigkeit sowohl in die Planung als auch in den operativen Betrieb integriert werden kann. «Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Konzept, sondern eine Realität, die unsere tägliche Arbeit prägt – besonders bei einem Projekt dieser Grösse, das der Ausbildung des Nachwuchses dient», betont Alain Winkel, Niederlassungsleiter bei Implenia Schweiz AG. Implenia und das Architekturbüro setzten die 3D-BIM-Methodik ein, um den Bau des Campus durch das Minimieren von Fehlern und das frühzeitige Erkennen von Bedürfnissen effizienter zu gestalten. Dieser kooperative Ansatz, in Verbindung mit einem Totalunternehmer-Vertragsmechanismus, ermöglichte es, sowohl Termine als auch Budgetvorgaben einzuhalten – selbst angesichts der angespannten Situation auf dem Materialmarkt, die durch internationale Konflikte beeinflusst war. Alain Winkel betont die Bedeutung dieser transparenten Zusammenarbeit mit der Vereinigung des Kantonalen Berufsbildungszentrums (VKBZ), der Bauherrin des Projekts: «Wir haben eng mit der VKBZ kooperiert, und die Einführung einer Kostenobergrenze hat uns geholfen, die Ausgaben trotz der Materialpreisschwankungen effizient zu steuern.» Der Campus Le Vivier vermittelt neben den technischen Aspekten auch eine starke Botschaft an die Lernenden und die Gesellschaft des Kantons Freiburg. Er symbolisiert die Kreativität, die notwendig ist, um neue Perspektiven zu entwickeln, und verkörpert die Vision, dass Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Hand in Hand gehen können. «Wir hoffen, dass dieser Campus die Lernenden dazu inspiriert, in ihrer Ausbildung nach Spitzenleistungen zu streben, und ihnen gleichzeitig die Bedeutung der Nachhaltigkeit in der Arbeitswelt nahebringt», schliesst Alain Winkel.

Gesamtfläche des Gebäudes: ca. 23 000 m²

Grundfläche Volumen der Erdarbeiten: 17 500 m³

Betonvolumen: 11 500 m³

Fassadenfläche: 9350 m³

Fläche der Holzstruktur: 10 000 m²

Fläche der Solarpanels auf dem Dach: ca. 3900 m², d. h. ca. 2000 Panels

Aufnahmekapazität: bis zu 400 Lernende und rund 40 Betreuende gleichzeitig

Baukosten: CHF 67 Mio. (ohne MwSt.)

Bauzeit: 2,5 Jahre (von Januar 2022 bis Juli 2024)