Campus Le Vivier, Interview mit Olivier Curty


Politiker, Handwerker, Lehrer, Architekten, Lernende und Vertreter der Wirtschaft – alle waren anwesend, als am 7. November in Villaz- Saint-Pierre der Campus Le Vivier eingeweiht wurde. Es war ein historischer Moment, als das Band dieses Gebäudes durchschnitten wurde, das die neue Visitenkarte der Freiburger Berufsbildung darstellt. Staatsrat Olivier Curty, Präsident der Bauherrin VKBZ (Vereinigung des Kantonalen Berufsbildungszentrums), gab uns ein Interview.

Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach die Berufsbildung im heutigen Bildungsund Wirtschaftsumfeld der Schweiz?

Die Berufsbildung ist ein zentraler Pfeiler und eine Besonderheit des Schweizer Bildungssystems. Ihr grosser Vorteil besteht darin, dass die Lernenden unmittelbar in die Berufswelt eintauchen können, was den Lehrbetrieben ermöglicht, auf motivierte, dynamische und kreative Nachwuchskräfte zu zählen. Es ist kein Zufall, dass die Mehrheit der Jugendlichen in der Schweiz diesen Weg wählt.

Warum sollte die Förderung der Berufsbildung in der Schweiz Priorität haben?

Die Berufsbildung entspricht sowohl den Bedürfnissen unserer Jugend als auch der Wirtschaft. Jugendliche, die ihr EFZ oder ihr EBA abgeschlossen haben, können direkt in den Arbeitsmarkt einsteigen. Zudem gibt es keine «gläserne Decke» mehr, da die Berufsbildung zahlreiche Möglichkeiten und Übergänge zu weiterführenden Bildungswegen bietet, wie zum Beispiel zu höheren Fachschulen, Hochschulen oder zur höheren Berufsbildung.

Welches sind die grössten Herausforderungen, mit denen die Berufsbildung im Kanton Freiburg heute konfrontiert ist?

Einige Berufe haben heutzutage Schwierigkeiten, junge Menschen zu begeistern. Daher müssen wir uns den neuen Erwartungen der heranwachsenden Generationen anpassen. Es geht oft weniger um die Höhe der Löhne als vielmehr um die Arbeitsbedingungen. Ich denke dabei beispielsweise an kürzere Arbeitszeiten oder Bedingungen, die es jungen Menschen ermöglichen, weiterhin soziale und gesellschaftliche Aktivitäten auszuüben. Eine weitere Herausforderung besteht darin, die Zweisprachigkeit – eine der Stärken unseres Kantons – zu fördern und die Mobilität der Lernenden während und nach der Berufslehre zu stärken. Zudem müssen wir eine agilere Berufsbildung anbieten, um auf die sich wandelnden Bedürfnisse der Wirtschaft besser reagieren zu können. Ebenso ist es notwendig, die Berufsbildung für Erwachsene weiter auszubauen, um beispielsweise Umschulungen oder Nachqualifizierungen zu ermöglichen.

Wie wird sichergestellt, dass die Berufsbildungsprogramme weiterhin den Anforderungen des Arbeitsmarktes entsprechen?

Die Ausbildungsziele werden von den jeweiligen Berufszweigen selbst festgelegt, was sicherstellt, dass die Ausbildung den tatsächlichen Bedürfnissen der betreffenden Berufe entspricht. Da die Ausbildungsverordnungen, die alle wichtigen Aspekte der beruflichen Grundbildung wie Dauer, Ziele, Anforderungen sowie das Qualifikationsverfahren regeln, alle fünf Jahre überarbeitet werden müssen, sind sie stets auf dem neuesten Stand.

Inwieweit arbeitet der Staatsrat mit dem Privatsektor zusammen, um das Berufsbildungsangebot zu verbessern und auszubauen?

Die Förderung einzelner Berufe ist Aufgabe der Berufsverbände und der jeweiligen Berufszweige. Der Staat fördert nicht spezifische Berufe, sondern die Berufsbildung im Allgemeinen, etwa durch die Mit-organisation von Veranstaltungen wie der Berufsmesse START! oder der Woche der Berufsbildung in Zusammenarbeit mit den lokalen Radiosendern.

Haben Sie eine Botschaft, die Sie jungen Menschen in Bezug auf die Berufsbildung mit auf den Weg geben möchten?

Ich selbst habe meine berufliche Laufbahn mit einem EFZ begonnen und kann daher aus Erfahrung sagen, dass eine Berufslehre eine sehr bereichernde Erfahrung ist. Man erwirbt nicht nur Fachwissen, sondern auch wichtige soziale Kompetenzen. Deshalb rate ich den Jugendlichen: Fangt einfach an! Lernt euren Beruf mit Neugier und Ehrgeiz, denn ein eidgenössischer Berufsabschluss öffnet viele Türen. Es ist ein hervorragender Einstieg in eine berufliche Karriere. Ich möchte die Jugendlichen auch dazu ermutigen, stets am Ball zu bleiben und kontinuierlich danach zu streben, die Kompetenzen durch Weiterbildung zu stärken, da sich die Berufe ständig weiterentwickeln.

Was bedeutet in diesem ganzen Kontext das Gebäude in Villaz-Saint-Pierre?

In diesem Gebäude finden die überbetrieblichen Kurse statt – eine von drei Berufsbildungsstationen für Lernende, in der sie die grundlegenden Techniken erlernen. Parallel dazu besuchen sie die Berufsfachschule für die theoretische Ausbildung und sind in ihren Lehrbetrieben tätig, wo sie in der Praxis ausgebildet werden. Das Gebäude erfüllt somit die gesetzlichen Vorgaben. Zusammen mit unserem Pôle7-Gebäude in Courtaman werden dies die modernsten Ausbildungsstätten des Landes sein. Wir stellen unserer Jugend und der Wirtschaft ein hervorragendes Werkzeug zur Verfügung, um die Berufsbildung weiter zu fördern.

3 Fragen an Patrick Gendre, Präsident des Verwaltungsrats des FAV

Die Berufsbildung spielt für die Arbeitgeber eine entscheidende Rolle, da sie die Erneuerung und die Qualität der Arbeitskräfte sicherstellt. Der Freiburger Arbeitgeberverband (FAV) hat sich für das ehrgeizige Projekt Campus Le Vivier engagiert. Seit September ist sie für den Empfang des Gebäudes zuständig.

Welche Rolle spielt die Berufsbildung für die Arbeitgeber?

Für die Arbeitgeber sichert die Berufsbildung die Erneuerung der Arbeitskräfte und gewährleistet ein qualitativ hochwertiges Ausbildungsniveau. Indem wir junge Menschen unter optimalen Bedingungen ausbilden und sie direkt auf die Berufe in der Praxis vorbereiten, tragen wir zum Fortbestand der lokalen Wirtschaft bei. Dies ist letztlich eine Zukunftsgarantie für die gesamte Wirtschaft und eine direkte Antwort auf die Bedürfnisse der Freiburger Wirtschaft, die qualifizierte und sofort einsetzbare Arbeitskräfte benötigt.

Warum engagiert sich der FAV in Projekten wie dem Campus Le Vivier?

Der FAV spielt eine zentrale Rolle bei der Unterstützung der Berufsbildung im Kanton. Er hat sich eingehend an der Umsetzung dieses grossartigen Projekts beteiligt und dabei die Arbeitgeber vertreten, die das Projekt teilweise finanziert haben. Dieser Campus ermöglicht es mehreren Berufsverbänden, die vom FAV verwaltet werden, ihre überbetrieblichen Kurse in einer modernen Infrastruktur abzuhalten, die auf die Anforderungen des heutigen Marktes zugeschnitten ist. Wir engagieren uns voll und ganz für dieses Projekt, da wir fest davon überzeugt sind, dass die duale Ausbildung von entscheidender Bedeutung ist, um der Wirtschaft einen kompetenten Nachwuchs zu gewährleisten.

Was bedeutet in diesem Kontext der Standort Villaz-Saint-Pierre für die Wirtschaft und die Gesellschaft im Allgemeinen?

Villaz-Saint-Pierre ist nicht nur eine Antwort auf das demografische Wachstum im Kanton, sondern auch ein wertvolles Instrument für die lokale Wirtschaft. Die Infrastruktur auf diesem Campus ist auf die Unternehmen und Berufe abgestimmt, in denen die jungen Menschen arbeiten werden. Der Campus ist ein Schaufenster für die Berufsbildung: Modernste Technologien und ein ansprechendes Arbeitsumfeld. Indem wir Ausbildnern und den Lernenden ein optimales Umfeld bieten, setzen wir auf die Zukunft und auf eine Aufwertung der technischen Berufe, die oft unterschätzt werden, aber für die Stärke unserer Wirtschaft unerlässlich sind.