Die Verkaufszahlen kehren langsam zur Normalität zurück, aber während der Pandemie profitierte das Geschäft mit Zweirädern von einem noch nie dagewesenen Aufschwung. Bikes mit oder ohne E-Unterstützung, Motorfahrräder und Scooter boten sich als Alternative zum öffentlichen Verkehr an, der kaum mehr genutzt wurde. Diese Ausgangslage freut zwar Michel Bornet, den Präsidenten der Westschweizer Sektion des Verbandes 2Rad Schweiz (2RSSR), sie stellt aber auch eine grosse Herausforderung in Bezug auf die Berufsbildung dar. «Die wachsende Popularität hat logischerweise die Nachfrage nach Zweiradmechanikern verschärft, die schon vor den Beschränkungen, die aufgrund der Pandemie erlassen wurden, hoch war. Jetzt liegt es an uns, auf die Bedürfnisse des Markts einzugehen!» In der Westschweizer Sektion des Verbandes, der mit Ausnahme von Genf sämtliche Westschweizer Kantone angehören, sprechen die Zahlen für sich: «Innert weniger Jahre ist die Zahl an Lernenden in Ausbildung von 80 auf 160 angestiegen! Ob motorisiert oder nicht: Zweiräder profitieren von einem positiven Image bei der Bevölkerung und speziell bei den Jugendlichen. Bei den Fahrrädern hat in den letzten 10 bis 15 Jahren ein regelrechter Paradigmenwechsel stattgefunden. Die Rekrutierung von künftigen Fahrrad- und Motorradmechanikern bereitet deshalb keine Probleme, dies umso mehr, als sich immer mehr Frauen für den Beruf entscheiden. An Grenzen stossen wir hingegen bei den Ausbildnern und den Infrastrukturen», führt der Präsident aus. Glücklicherweise wird die Eröffnung eines brandneuen Ausbildungszentrums (siehe Kasten) schon bald frischen Wind in die stark wachsende Branche bringen.
Die Schweiz räumt an den EuroSkills ab
Michel Bornet ist seit 2019 pensioniert. Zuvor leitete er während 38 Jahren eine Motorrad-Garage in der Region Lausanne. «Der Betrieb wird heute von drei ehema ligen Lernenden geführt, die ich selbst ausgebildet habe. Es versteht sich von selbst, dass ich von der Qualität unseres dualen Ausbildungssystems sehr überzeugt bin. Es ermöglicht uns, auch auf internationaler Ebene zu brillieren. An der letzten europäischen Berufsmeisterschaft EuroSkills belegte unser Land den ersten und den zweiten Platz bei den Motorradmechanikern und den ersten und den dritten Platz bei den Fahrradmechanikern. Selbst die grossen europäischen Länder wollen wissen, wie die kleine Schweiz das macht.» Eine Schweiz übrigens, die sich weiter anpasst: Ab 2025 kommt zum Fahrradmechaniker EFZ (3-jährige Ausbildung) und zum Motorradmechaniker EFZ (4-jährige Ausbildung) ein eidgenössisches Berufsattest (2-jährige Ausbildung) hinzu.
Der Verband 2RSSR stellt nicht nur die Grundausbildung und die Weiterbildung sicher, er vertritt und verteidigt auch die Interessen seiner 96 Mitglieder auf kantonaler und westschweizerischer Ebene. «Es ist ausgesprochen wichtig, sich zusammenzutun und die Beziehungen unter den Garagen zu stärken, um bei Verhandlungen mit den politischen und wirtschaftlichen Partnern mehr Gewicht zu erhalten. Ich mache keinen Hehl daraus, dass der Dachverband von der Veränderung des Marktes beunruhigt ist. Wir haben es mit Importeuren zu tun – von Fahrrad- und Motorradmarken sowie Bestandteilen –, die ihren Einfluss geltend machen und nicht immer Rücksicht auf schweizerische Besonderheiten nehmen. Das Aufkommen von Handelsgruppen einer gewissen Grösse stellt für die kleinen Garagen eine weitere grosse Herausforderung dar.
Die Kunst des Kompromisses
Aber der Präsident gibt sich pragmatisch: «Die Diskussionen verlaufen weiterhin offen und konstruktiv. In der Schweiz pflegen wir die Kunst des Kompromisses, die es uns übrigens erlaubt hat, Motorfahrräder und Fahrräder trotz manchmal unterschiedlicher Interessen in einem einzigen Berufsverband zusammenzuschliessen. Man muss sich immer vorwärtsbewegen, das gilt für Mofas wie für Fahrräder, sonst fällt man nämlich um!»