Ein Jahrhundert, um sich den Kunden anzupassen


Auf dem Geburtstagskuchen der Joggi AG brannten letzten März hundert Kerzen. Das seit 13 Jahren von Liliane Kramer geführte Unternehmen, ihres Zeichens Mitglied des Verwaltungsrats des Freiburger Arbeitgeberverbandes (FAV) und Präsidentin der Arbeitgeberkammer, wurde 1923 von Ernst Joggi gegründet. Das Eisenwarengeschäft wusste sich stets den Bedürfnissen der Kundschaft anzupassen. Während zu Beginn noch Hufeisen verkauft wurden, sind es heute Hightech-Maschinen, und aus dem Geschäft ist eine regionale Institution geworden.

Joggi AG hat ihr 100-jähriges Bestehen vergangenen März gefeiert. Was bedeutet es Ihnen, ein Unternehmen zu führen, das schon seit einem Jahrhundert besteht?

Liliane Kramer: Es ist für mich eine sehr grosse Ehre. Es handelt sich vermutlich um eine einmalige Chance in einer Berufskarriere. Ich bin sehr stolz, ein derartiges Erbe fortzuführen.

Wie erklären Sie sich die Langlebigkeit des Unternehmens?

Meine Vorgänger und auch ich haben im- mer versucht, die Bedürfnisse der Kundin- nen und Kunden vorwegzunehmen und das Sortiment den Entwicklungen in der Gesellschaft anzupassen, insbesondere in Krisenzeiten, während der Kriege, aber auch in Bezug auf den technischen Fortschritt und die Bedürfnisse der Kundschaft.

Wie kam es dazu, dass Ihr Vater die Joggi AG übernahm?

Mein Vater Ernst Kramer begann seine Lehre bei Joggi im Jahr 1966. Er ging da- nach in die Westschweiz, bevor er 1978 wieder zum Unternehmen stiess. 1990 schliesslich entschloss er sich zusammen mit meiner Mutter Lisette, die Joggi AG von Sigwart Joggi zu übernehmen. Mein Vater arbeitete schon lange im Betrieb und er bot sich natürlicherweise als Nachfolger an, als niemand von der Familie Joggi sich dazu entschliessen konnte.

Und wie kam es dazu, dass Sie in das Unternehmen eingestiegen sind?

Ich bin die älteste von drei Töchtern. Schon als Kind habe ich mich für die Arbeit meines Vaters interessiert. Ich erinne- re mich, dass wir am Küchentisch oft über Joggi gesprochen haben, und ich liebte es, im Garten oder beim Basteln mitzuhelfen. Während der Ferien machte ich das Inven- tar bei Joggi, damit verdiente ich mir mein Sackgeld. So wurde ich mit dem «Joggi- Virus» infiziert. Ich trat 1999 in das Unter- nehmen ein und arbeitete anschliessend in sämtlichen Abteilungen. Die Zusammenarbeit mit meinem Vater war immer problemlos. Ich habe viel von ihm gelernt.

Es ist bekannt, dass eine Geschäftsübergabe vom Vater an seine Kinder schwierig sein kann. Wie war das bei Ihnen?

Ich habe meinen Vater für ein Seminar zum Thema Unternehmensnachfolge an- gemeldet (sie lächelt). Er fand, es sei noch zu früh. Er schätzte aber den Kurs, schliesslich ist eine Geschäftsübergabe – selbst eine an die eigenen Kinder – ein Prozess, der über mehrere Jahre hinweg umgesetzt werden muss. Es war für ihn sehr nützlich, informiert zu sein, vor allem über die rechtlichen und finanziellen Aspekte, die es zu berücksichtigen gilt. Mein Vater hat dann nach und nach seine Arbeitszeit reduziert, und ich übernahm immer mehr Verantwortung. Schliesslich habe ich 2010 die Leitung übernommen.

Was bedeutete das für Sie?

Ich habe immer davon geträumt, Unternehmerin zu sein. Diese Tätigkeit interessierte mich, weil sie sehr vielseitig ist. Man hat mit Finanzen zu tun, mit dem Personalwesen, der Kundschaft – kurz: mit sämtlichen Unternehmensbereichen. Es lag mir am Herzen, das Familienunternehmen zu übernehmen und heute kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, etwas anderes zu tun.

Spielte die Tatsache, dass Sie eine Frau sind, eine Rolle?

Nein. Ein paar Angestellte, die schon lange bei uns waren, brauchten ein bisschen mehr Zeit, um sich an den Wechsel in der Direktion zu gewöhnen, aber das hatte nichts mit dem Umstand zu tun, dass ich eine Frau bin. Als ich hingegen 1999 im Laden bediente, gab es Kunden, die verlangten, von einem Mann bedient zu werden. Das war damals eine andere Zeit. Es gab nur sehr wenige Frauen in unserer Branche. Zum Glück ha- ben sich die Zeiten geändert.

Welche Rolle spielt die Joggi AG im Murtner Gewerbe?

Joggi ist in der Region eine Institution. Wie Staatsrat Olivier Curty anlässlich unserer Geburtstagsfeier sagte: «I ga no schnäu zum Joggi.» Das heisst, wenn man handwerklich tätig sein oder basteln will, be- sorgt man sich die notwendigen Artikel bei Joggi. Bei uns sind alle willkommen: der Profi, der ambitionierte Handwerker oder Personen, die Material brauchen für ihr Haus, ihren Garten oder ihr Unternehmen.

Wie hat sich das Unternehmen entwickelt, seit Sie dort tätig sind?

Die Anzahl der Mitarbeitenden ist gestiegen. Wir haben nun mehr Frauen im Team und mehr Personal, das Teilzeit arbeitet. Was das Sortiment betrifft, so verändert sich dieses dauernd. Wir stellen fest, dass ständig neue Produkte auf den Markt kommen und das zwingt uns dazu, uns neu aufzustellen. Um diese Entwicklung aufzeigen zu können, ha- ben wir in Murten ein Museum eingerichtet, in dem Produkte zu sehen sind, die früher bei Joggi angeboten wurden. Es ist interessant zu sehen, dass wir früher Hufeisen, Waffen oder Kochherde verkauften. Heute umfasst unser Sortiment Hightech-Geräte.

Mit welchen Herausforderungen sieht sich das Unternehmen heute konfrontiert?

Die Konkurrenz ist hart, es gibt Online-Shops und Anbieter mit grossen Verkaufsflächen. Wir müssen uns abheben, indem wir Beratung und Kundendienst in den Vordergrund stellen. Wir bieten deshalb eine Reparaturwerkstatt, eine Einrichtung für das Mischen von Farben, einen Schlüsseldienst und einen Mietpark an. Zudem haben wir die JoggiBox lanciert: Diese ermöglicht es den Kunden, Produkte via unsere Website zu bestellen und sie ausserhalb der Öffnungszeiten mit- tels eines QR-Codes zu beziehen.

Was glauben Sie – wie wird Ihr Unternehmen in 100 Jahren aussehen?

Gute Frage! Ich kann mir nicht einmal vor- stellen, wie das Unternehmen in 20 Jahren aussehen wird! Es wird noch erhebliche Veränderungen geben, das ist klar. Das muss uns dazu bringen, uns weiterhin und immer wieder anzupassen.

In Zahlen

47

Mitarbeitende, (insgesamt 38 Vollzeitstellen)

7

Lernende, aufgeteilt auf Detailhandel, Logistik und Kauffrau/ Kaufmann. Leider finden wir keine Lernenden in den Berufen Motorgerätemechaniker/-in oder Automatikmonteur/-in mehr.