Patrick Gendre, Sie haben Ihre ersten sechs Monate als VR-Präsident des FAV hinter sich. Welches Empfinden überwiegt?
Ich habe viel Freude an dieser neuen Aufgabe. Die verschiedenen Facetten dieser Funktion sind interessant, aber zugleich auch herausfordernd. Es ist mir wichtig, mit den Verbänden, welche der FAV vertritt, in Kontakt zu stehen. Daher beabsichtige ich, in den nächsten zwei Jahren gezielt auf sie zuzugehen. Ich hoffe, dass mir dies helfen wird, ihre Anliegen zu verstehen und die Besonderheiten unseres Wirtschaftsgefüges noch besser wahrnehmen zu können.
Der FAV hat sich in den letzten 75 Jahren erfolgreich an die Veränderungen der Gesellschaft und der Wirtschaft angepasst. Welchen besonderen Herausforderungen wird er sich in Zukunft stellen müssen?
Er wird sich, und das ist offensichtlich, mit den Herausforderungen des Klimas, mit Fragen der Versorgungsketten und der Energie auseinandersetzen müssen. Die grösste Herausforderung wird aus meiner Sicht darin bestehen, zu lernen, die immer rascher auftretenden Veränderungen zu bewältigen. Agilität wird zu einem wesentlichen Faktor werden.
Parallel dazu werden wir die Lehrmethoden grundlegend neu überdenken müssen. Neue Berufe entstehen und sprechen die jungen Generationen an, was die Unternehmen ihrerseits dazu bewegen muss, neue Formen der Arbeitsorganisation zu finden. Dabei gilt es insbesondere den Arbeitsbereich und die Arbeitszeiten neu zu überdenken.
Wie kann der FAV auf diese anstehenden Veränderungen reagieren?
Die Aufgabe des FAV besteht darin, künftige Herausforderungen vorwegzunehmen, um die Verbände und deren Mitglieder bei diesen Veränderungen unterstützen zu können. Konkret müssen wir zum Beispiel im Bereich der Digitalisierung entsprechende Monitoring-Instrumente einsetzen und so das Aufkommen von Technologien wie der künstlichen Intelligenz vorwegnehmen. Wir müssen in der Lage sein, unsere Mitglieder zu informieren und sie für diese Entwicklungen zu sensibilisieren, indem wir diese Themen in die öffentlichen Diskussionen einbringen.
Das Freiburger Wirtschaftsgeflecht besteht zu mehr als 95 Prozent aus KMU und der FAV setzt sich für deren Belange ein. Inwiefern stellen diese Unternehmen die Zukunft der Wirtschaft dar?
Der Unternehmergeist existiert und wird sich weiterentwickeln. Unternehmer haben den Wunsch nach Unabhängigkeit, ungeachtet der Branche, in welcher sie tätig sind. Das ist verständlich, denn das KMU-Modell mit all seinen Herausforderungen bietet Flexibilität bei der Arbeit. Die Leute schätzen das sehr.
Bezüglich der Berufsbildung ist allgemein bekannt, dass zwei von drei jungen Menschen eine Berufsausbildung absolvieren, welche von einem KMU getragen wird. Sie widerspiegeln somit das Ausmass der sozialen Verantwortung der Unternehmen. Deshalb sind die KMU für das Wirtschaftsgefüge derart entscheidend. Sie verkörpern die Zukunft. Aufgrund ihrer Grösse, ihrer Werte und ihrer Leistungen stehen sie für die sozialen und ökologischen Anpassungen ein, welche für die Entwicklung der Wirtschaft unabdingbar sind; so wie sie es schon immer getan haben.
Welche Werte vertritt der FAV, um sie dabei zu unterstützen?
Innovation, Vertrauen, räumliche Nähe, Nachhaltigkeit, Agilität, um nur einige zu nennen. KMU werden von leidenschaftlichen Menschen geführt. Sie benötigen manchmal in bestimmten Bereichen Unterstützung und dafür gibt es den FAV. Unser Ziel ist es, diesen Unternehmern die Möglichkeit zu bieten, sich auf das zu konzentrieren, was sie am besten können.
In diesem Sinne muss sich der FAV dafür einsetzen, den KMU günstige sozioökonomische Rahmenbedingungen zu garantieren, die Bürokratie zu begrenzen und die Weiterentwicklung zu erleichtern, zum Beispiel in Fragen der Raumplanung.
Wie sehen Sie als Verwaltungsratspräsident des FAV die kantonale Wirtschaft, zumal dieses zu Ende gehende Jahr geprägt ist von grossen Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Krieg, der Energieversorgung und den Rohstoffen?
Im Januar 2022 waren die Prognosen gut und die Wirtschaft stand in den Startlöchern, um die Covid-Krise wieder wettzu machen. Sie wurde in ihrem Elan durch den Krieg jäh gebremst. Ich persönlich glaube an die Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft. Natürlich gibt es Beeinträchtigungen in den Versorgungsund Fabrikationsketten. Es wird einige Zeit brauchen, bis sich die Wirtschaft davon wieder erholt hat.
In unserem Kanton sind die Arbeitgeber auf der Suche nach Lösungen und versuchen den sich abzeichnenden Widrigkeiten zuvorzukommen. Der FAV kann ihnen dank professioneller Dienstleistungen, seiner Erfahrung in der Verwaltung von Verbänden und dem wertvollen Austausch mit seinen Mitgliedern einen Mehrwert bieten.
Was ist Ihrer Meinung nach der derzeit wichtigste strategische Ansatz zur Förderung der Berufsbildung?
Wir müssen lernen die Kommunikation anzupassen, um jungen Menschen die Arbeitswelt und die verschiedenen Berufe näherzubringen. Und vor allem müssen wir unseren Unternehmen qualifiziertes Personal garantieren. Die Ambivalenz zwischen der Berufswahl der Jugendlichen und den Bedürfnissen der Gesellschaft ist nicht von der Hand zu weisen. Einige Berufe müssen unbedingt gefördert werden, sei es durch die Berufsbildung
oder durch gezieltes Herbeiholen dieser Kompetenzen.
Persönlich bin ich ziemlich optimistisch. Ich glaube, dass wir in einer Gesellschaft leben, die ihre Jugendlichen zu begeistern vermag. Die Erwachsenen tragen diese Verantwortung ebenso wie die Berufsverbände und der FAV. Veranstaltungen wie START! Forum der Berufe oder die SwissSkills sind unglaubliche Inspirationsquellen für die jungen Menschen.
Was sollte der FAV in naher Zukunft zu diesem Thema insbesondere beitragen?
Die Arbeitswelt befindet sich aufgrund der Bedürfnisse der jungen Generationen in einem tiefgreifenden Wandel. Wir müssen Denkanstösse liefern, wie die Unternehmen junge Menschen durch Innovationen halten können. Dazu müssen wir die Kommunikation zwischen den Generationen weiterentwickeln, zu klareren Formen der Beziehung zur Umwelt zurückkehren und ein besseres Gleichgewicht zwischen Privat- und Berufsleben
in den Fokus rücken. Es geht darum, einen gemeinsamen Nenner zwischen KMU, Verbänden und den jungen Generationen zu finden.
Es geht auch darum, ideale Voraussetzungen für die Berufsbildung zu schaffen. Aus diesem Grund unterstützt der FAV aktiv die Realisierung des neuen Ausbildungszentrums für die überbetrieblichen Kurse in Villaz-St-Pierre.
Wie stellen Sie sich die Tätigkeit des FAV im Jahr 2050 vor?
Je nachdem worum es geht, erscheint 2050 gleichzeitig nah, aber auch weit entfernt. Klar ist, dass der FAV der Berufsbildung nach
wie vor sehr nahestehen wird. Er wird sich weiterhin zukunftsorientiert zeigen und dabei die starke Bindung zu den KMU
bewahren.
Was wir seit fast drei Jahren durchleben, lehrt uns, uns anzupassen. In diesem Sinne blicke ich optimistisch in die Zukunft der KMU. Sie werden ihren Weg finden, um die Grundpfeiler der Gesellschaft von morgen zu entwickeln und aufzubauen. Bleiben wir am Ball und aufmerksam, um sie bei dieser gewaltigen Aufgabe zu unterstützen.