Die Vorläuferorganisationen des FAV und der FER wurden beide vor 75 Jahren parallel in Murten gegründet. Welches war der Anlass für ihre Gründung?
Am Ursprung der FER stand die soziale Sicherheit. Mit der Einführung der AHV im Jahr 1947 beschlossen die Arbeitgeberkreise in der Westschweiz, ihre eigenen Sozialeinrichtungen zu gründen. Auf Veranlassung von Ferdinand Masset (Freiburg) und Renaud Barde (Genf) wurde am 20. Juli 1947 in Murten der Westschweizer Arbeitgeberverband (Fédération Romande des Syndicats Patronaux FRSP) aus der Taufe gehoben. Die konstituierende Versammlung rief am selben Tag die zwischenberufliche Westschweizer AHV-Kasse (Caisse interprofessionnelle romande de l’AVS) ins Leben. Vordringliches Ziel war zwar die Gründung einer AHV-Kasse, es entsprach aber auch dem erklärten Willen dieser Gruppierung von Arbeitgeberverbänden, in Politik und Wirtschaft gewichtigen Einfluss zu nehmen. Man kann den Pioniergeist und die Weitsicht der Gründer nicht genug betonen. Ihnen schwebte eine regionale und überberufliche Arbeitgeber- und Wirtschaftsorganisation vor, die sämtlichen Arten von Unternehmen offenstehen sollte. Das war zu jener Zeit alles andere als selbstverständlich.
Welche Gemeinsamkeiten haben die beiden Organisationen beibehalten?
Sie weisen viele Gemeinsamkeiten und eine ähnliche Struktur auf, auch wenn die Grösse der Verbände unterschiedlich ist. Ziel ist es, ihren Mitgliedern eine breite Palette von Dienstleistungen anzubieten, um sie von administrativen Aufgaben zu entlasten. Die Sozialversicherungen bilden dabei eines der Standbeine. Die beiden Organisationen kümmerten sich schon vor der Einführung der AHV um Sozialleistungen. Sie verfügten über weitreichende Fachkompetenzen, die seither ständig erweitert und vertieft wurden. Die FER CIAV 106 wurde übrigens zur grössten zwischenberuflichen AHV-Ausgleichskasse der Schweiz.
Welchen Beitrag leistet der FAV zugunsten des Dachverbands FER?
Der FAV bringt seine Erfahrung und sein Know-how in Arbeitgeberfragen und in der Politik ein. Der Austausch zwischen sämtlichen Mitgliedsverbänden der FER ist immer sehr fruchtbar, insbesondere in Bezug auf den regionalen Ansatz und die Schwierigkeiten, auf welche die verschiedenen Regionen stossen. Ich möchte noch anfügen, dass ich die zweisprachige Ausrichtung des FAV schätze: Sie ermöglicht uns eine sehr tiefgreifende arbeitgeberische Sensibilität. Auf politischer Ebene ist es für das FER-Netzwerk wichtig, auf die Unterstützung des FAV zählen zu können (beispielsweise bei unseren Antworten im Rahmen von Vernehmlassungsverfahren) wie auch auf die Unterstützung von einigen Freiburger Parlamentarierinnen und Parlamentariern, die unsere Stellungnahmen ins Parlament einbringen können.
Welche Vorteile bietet der Dachverband FER den verschiedenen Verbänden?
Im Netzwerk der FER wird ein reger Austausch gepflegt, entweder direkt mit den Mitgliedern, mit mir oder via FER-Vorstandssitzungen, die mehrmals pro Jahr stattfinden. Auf diese Weise kann man gegenseitig von den Erfahrungen profitieren, um bestimmte Herausforderungen zu meistern oder für unseren Verband wichtige Themen zu besprechen. In mehreren Bereichen wurden Synergien geschaffen, insbesondere bezüglich sozialer Sicherheit und Ausbildung; diese Synergien werden fortgeführt. Ausserdem gibt es gemeinsame Stellungnahmen und es besteht der Wille, dass die FER auf Bundesebene gut vertreten ist.
Wie hat sich das Netzwerk weiterentwickelt?
Der Austausch im Netzwerk wurde in den vergangenen Jahren intensiviert. Die Covid-Zeit hat aufgezeigt, wie wichtig dieser Austausch und die auf Ebene der FER koordinierte Kommunikation sind. Unser Verband wird zudem immer stärker digitalisiert, mit Online-Berichten der Sessionen des Bundesparlaments oder der Verwendung von Teams bei Videokonferenzen. Er hat zudem am vergangenen 30. Juni sein erstes Webinar zum Thema Cyberkriminalität organisiert. Was das Zwischenmenschliche betrifft, so herrscht bei uns eine sehr gute Dynamik, und wir setzen überzeugt auf einen weiteren Ausbau der Zusammenarbeit.
Welches sind die grössten Herausforderungen, denen sich die FER gegenwärtig und in Zukunft stellen muss?
Die FER muss fortfahren, die Westschweizer Wirtschaft zu fördern, sie gegenüber den Bundesbehörden zu verteidigen und unsere Positionen allgemein bekannt zu machen. Dies mit der Absicht, für die Interessen unserer Mitglieder einzustehen. Der Austausch mit den Parlamentarierinnen und Parlamentariern oder Anlässe im Parlament sind wichtig, um grundlegende Themen erörtern zu können, etwa das Europadossier, das Steuerwesen oder Fragen im Zusammenhang mit den Sozialversicherungen. Die FER muss auch in Zukunft ihre starke Dynamik beibehalten, indem sie die engen Kontakte zwischen den FER-Mitgliedern pflegt und gemeinsame Projekte wie etwa die interne Kommunikation durchführt.
Wie verschafft sich die FER bei den Bundesbehörden Gehör?
Die FER ist der einzige Westschweizer Wirtschafts-Dachverband, der von den Bundesbehörden anerkannt wurde. Er antwortet auf zahlreiche Vernehmlassungen, was es ihm erlaubt, seine Haltung zu einer Vielzahl von Themen kundzutun. Er hat ausserdem Einsitz in verschiedenen Kommissionen des Bundes, beteiligt sich also direkt an den Arbeiten dieser Kommissionen, sei es im Namen der FER oder in Zusammenarbeit mit anderen Wirtschafts- und Arbeitgeber-Dachverbänden. Das ist unter anderem der Fall in den Bereichen soziale Sicherheit, Arbeitslosigkeit und Arbeitsmarkt. Die FER verschickt zudem regelmässig einen parlamentarischen Sessionsbericht, um die politischen Positionen klarzustellen, die für unseren Verband grundlegend wichtig sind. Es werden auch regelmässige Treffen mit Parlamentarierinnen und Parlamentariern und manchmal Anlässe zu bestimmten Themen (wie etwa der Unternehmenssteuerreform) organisiert. Weiter arbeitet die FER mit einer Berner Agentur zusammen, um ihre Kommunikation und Präsenz in Bern zu optimieren.
Dieses Jahr im September führt die FER ihre Generalversammlung in Murten durch. Inwiefern ist es wichtig, zu den Ursprüngen zurückzukehren?
Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, wer wir sind und welchen Weg wir seit der Gründung zurückgelegt haben, denn die FER ist seither gewachsen und auf verschiedenen Ebenen aktiv. Wir zählen über 45 000 Mitglieder. Das ist ein schöner Erfolg, der während 75 Jahren beharrlich erarbeitet wurde. Die Generalversammlung der FER ist auch immer ein Moment der Geselligkeit, bei dem wir uns näherkommen und uns unterhalten können über verschiedene Anliegen, die für unseren Verband wichtig sind.
Sie haben angekündigt, dass Sie 2023 von Ihrem Posten zurücktreten werden. Was behalten Sie in Erinnerung von fünfzehn Jahren als Generaldirektor der FER Genf und Generalsekretär der FER?
Tatsächlich werde ich aus Altersgründen von meinen Ämtern zurücktreten. Ich behalte in meiner Erinnerung den bemerkenswerten Erfolg der FER und ihrer Mitgliedsverbände, ihre Entwicklung, ihre Präsenz in vielen Themenbereichen sowie das Vertrauen unserer Mitglieder. Ich lese die Entwicklung der letzten paar Jahre ab an den Kontakten und Beziehungen, die ständig ausgebaut wurden, und an der sehr intensiven Zusammenarbeit, die wir untereinander gepflegt haben. Covid hat natürlich dazu beigetragen, aber die Maschine war schon längst in Gang gesetzt worden. Diese Entwicklung war ein Ziel, das ich mir bei meinem Amtsantritt gesetzt hatte und das erreicht wurde. Es wird weitergehen. Persönlich möchte ich die freundschaftlichen Beziehungen hervorheben, die mich mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus den Mitgliedsverbänden verbinden. Ich möchte ihnen an dieser Stelle für die Unterstützung danken, die sie mir gewährt haben. Der Erfolg der FER ist ein Gemeinschaftswerk, das ich ihnen zu verdanken habe. Sie werden mir fehlen.