Reduktion der Pflichtteile
Der Pflichtteil ist ein Anteil am gesetzlichen Erbteil, auf den Nachkommen, Eltern, Ehegatten und eingetragene Partner Anspruch haben. Ohne grobes Verfehlen kann dieser ihnen nicht gegen ihren Willen entzogen werden. Aktuell beträgt der Pflichtteil der Nachkommen ¾ des gesetzlichen Anteils und jener der Eltern, Ehegatten und eingetragenen Partner die Hälfte. Die Revision senkt den Pflichtteil der Nachkommen auf ½ und schafft jenen der Eltern ganz ab. Der Pflichtteil der Ehegatten und eingetragenen Partner bleibt unverändert.
Beispiel eines verheirateten Erblassers mit Kindern (gemäss Regelung ab 1.1.2023) :
- Gesetzlicher Anteil der Kinder : ½ des Nachlasses
- Gesetzlicher Anteil der Ehegattin : ½ des Nachlasses
- Pflichtteil der Kinder : ½ * ½
- Pflichtteil der Ehegattin : ½ * ½
In diesem Beispiel haben die Kinder und die Ehegattin je einen Pflichtteil von ¼ der Erbmasse. Dies lässt dem Erblasser die Möglichkeit, über die Hälfte seines Nachlasses frei zu verfügen.
Die Senkung der Pflichtteile lässt dem Erblasser einen grösseren Spielraum. Mit dieser Revision wird der Entwicklung der Gesellschaft Rechnung getragen, indem die Situation von unverheirateten Paaren und Patchwork-Familien verbessert wird. Aber nicht nur: Die Weitergabe eines Unternehmens wird ebenfalls erleichtert.
Andere Neuerungen
Aktuell verlieren Ehegatten und registrierte Partner ihr Anrecht auf den gesetzlichen Teil und den Pflichtteil erst, wenn das Scheidungsurteil rechtsgültig ist. Der gesetzliche Teil ist von der Revision nicht betroffen. Der Pflichtteil hingegen wird neu aufgehoben, wenn der Ehegatte oder eingetragene Partner während dem durch gemeinsames Begehren veranlassten Scheidungsverfahren stirbt oder die Parteien seit zwei Jahren getrennt gelebt haben.
Im Bereich der Erbverträge kann eine Vertragspartei neu Verfügungen von Todes wegen und Zuwendungen unter Lebenden anfechten, wenn diese die erbvertraglichen Begünstigungen des Erbvertrags schmälern. Faktisch bedeutet dies ein Schenkungsverbot nach Abschluss des Erbvertrags. Um dem entgegenzuwirken, wird den Vertragsparteien geraten, den Erbvertrag anzupassen und festzulegen, im welchem Umfang Schenkungen erlaubt sind.
Überprüfung bestehender Testamente und Erbverträge
Hat der Erblasser keine Verfügungen von Todes wegen getroffen, sind die gesetzlichen Regeln zur Aufteilung des Nachlasses anwendbar. Wenn er von dem durch die Pflichtteile ermöglichten Spielraum profitieren möchte, muss er zwingend einen Erbvertrag abschliessen oder ein Testament verfassen. Falls dies schon gemacht wurde, gilt es nun, diese Bestimmungen vor dem Hintergrund der Gesetzesrevision zu überprüfen und nötigenfalls anzupassen. So ist es z.B. ratsam, dass ein Erblasser, welche seine Kinder auf die aktuell geltenden Pflichtteile von ¾ gesetzt hat, das Testament präzisiert und festlegt, ob dieser Pflichtteil weiterhin gilt oder ob der neue Pflichtteil von ½ angewandt werden soll.
Aussicht
Der Bundesrat schätzt, dass jedes Jahr 3400 Unternehmen wegen der erbrechtlichen Regelung potenziell von Finanzierungsproblemen betroffen sind. Damit die Unternehmensnachfolge noch weiter vereinfacht wird, hat der Bundesrat dem Parlament in seiner Botschaft vom 10. Juni 2022 weitere Massnahmen vorgeschlagen. So ist z.B. vorgesehen, dass ein einziger Erbe das Unternehmen übernehmen kann, auch ohne diesbezügliche Verfügung des Erblassers, oder dass ein Zahlungsaufschub von bis zu 5 Jahren gewährt werden kann, wenn der Unternehmensnachfolger Probleme hat, die anderen Erben sofort auszuzahlen. Das Geschäft wird nun vom Parlament behandelt. Der FAV verfolgt das Dossier aufmerksam und hält Sie weiterhin auf dem Laufenden.
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