«Der Patient ist unser roter Faden», beginnt Dr. Jean-Marie Michel, Präsident von MFÄF und Mitglied des Verwaltungsrats des Freiburger Arbeitgeberverbands (FAV). Sämtliche Überlegungen basieren auf zwei Faktoren: die Garantie einer angemessenen Patientenversorgung und zugleich die Gewährleistung optimaler Sicherheitsbedingungen. MFÄF folgt diesem roten Faden und verteidigt dadurch mit vollem Einsatz die Interessen der Freiburger Ärzte: «Wir sind darauf bedacht, eine möglichst enge Beziehung mit dem Amt für Gesundheit und dem Kantonsarzt zu wahren», erläutert der Präsident. In einem Kontext, in dem der Staat den Gesundheitssektor regulieren möchte, arbeitet der Verband an verschiedenen, hauptsächlich politischen, gesellschaftlichen und ethischen Aspekten.
Dieser Kampf hat eine lange Tradition. Die Ärztegesellschaft wurde 1827 gegründet. «Noch bis Ende des 20. Jahrhunderts musste ein Arzt im Kanton Freiburg Mitglied des Verbands sein, wenn er glaubwürdig sein wollte», erzählt Dr. François-Dominique Meyer, Vizepräsident bis 2017. Das hat sich geändert, selbst wenn derzeit rund 90% aller im Kanton ansässigen Ärzte Mitglieder von MFÄF sind. Die Revision des Beitrittsreglements der Mitglieder war eines der Projekte, an dem Dr. Meyer beteiligt war. Dies wurde notwendig, als sich ab den 2000er Jahren Ärzte niederliessen, die im Ausland – insbesondere in Deutschland und Frankreich – ausgebildet worden waren. Durch die Analyse der Diplome oder auch der Lebensläufe können gewisse Qualitätsstandards der Pflege gewährleistet werden.
Dank dieser Qualität werden auch auf freiburgischem Gebiet ausgebildete Ärzte motiviert, hier zu bleiben und sich niederzulassen. Dies ist eine der Herausforderungen für MFÄF. «In unserem Kanton liegt die Ärztedichte unter dem Schweizer Durchschnitt», merkt Dr. Jean-Marie Michel an, den dieses Phänomen beunruhigt. So kämpft der Verband seit mehreren Jahren für den Erhalt der ärztlichen Erstversorgung im Kanton Freiburg. Zu diesem Zweck beteiligt er sich an der Organisation der Fortbildungen in Zusammenarbeit mit dem Kantonsspital (HFR), aber auch an der Ausbildung von Praxisärzten. «Dadurch kann man die jungen Ärzte dazu anspornen, in dem Kanton zu wirken, in dem sie ausgebildet wurden», unterstreicht der Präsident. Hinzu kommt eine vor zwei Jahren eingeführte Massnahme: die Schaffung eines universitären Mastertitels am Institut für Hausarztmedizin. Dessen Verwirklichung wird von MFÄF unterstützt, denn auch sie wird dazu beitragen, junge Erstversorgerärzte im Kanton zu halten.
Parallel dazu wurde MFÄF von den kantonalen Behörden beauftragt, den ärztlichen Bereitschaftsdienst des Kantons Freiburg zu organisieren. Dank der Annahme eines neuen Reglements kann man der Bevölkerung einen qualitativ guten Bereitschaftsdienst anbieten. Grosse Neuheit: Die Mehrheit
der ärztlichen Fachgebiete ist nunmehr daran beteiligt, wodurch die Synergien zwischen den Akteuren gefördert werden. Bei bestimmten Fachgebieten kann durch die Zusammenarbeit mit dem HFR die Abdeckung der «kleinen Notfälle» verstärkt werden. Dadurch wird die Einrichtung entlastet und kann sich auf die lebensnotwendigen Fälle konzentrieren.
Politische Herausforderungen
MFÄF steht in Zukunft vor zahlreichen Herausforderungen, denn die Gesundheit ist ein sehr politisiertes Feld. Da ist zunächst das Projekt REFORMER, dessen Zweck es ist, die Westschweizer Kantone zu befugen, die ärztliche Weiterbildung zu regulieren. Zudem wird in den eidgenössischen Räten gerade eine Änderung des KVG diskutiert, die den Kantonen ermöglichen würde, das ambulante medizinische Angebot zu regulieren. Wir wenden uns also eindeutig in Richtung einer verstaatlichten Medizin. Dies bereitet dem Vorsitz vonMFÄF, der diesem Projekt kritisch gegenübersteht, viel Kopfzerbrechen: «Die Politik hat die Macht an sich gerissen und wird dieses System durchsetzen, ohne sich mit uns abgesprochen zu haben.» «Folglich hat MFÄF den Kampf gegen die Verstaatlichung der Planung der Medizin und eine übertriebenen Regulierung des Berufs, der zutiefst liberal ist, aufgenommen», hebt Dr. Rémy Boscacci, Vizepräsident des Verbands hervor.
Laut ihm ist gerade dieser Liberalismus ein Garant für Qualität. Gemäss Dr. R. Boscacci muss man zwar vermeiden, dass die Medizin zu einem gesetzlosen Dschungel verkomme; ebenso muss man aber auch vermeiden, dass sie von Bürokraten reguliert werde. «Die Lösung liegt in einer Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Gesundheit und den medizinischen Verbänden», meint der Vizepräsident und fügt hinzu: «Ärzte müssen die notwendigen Bedingungen für die Gewährleistung von qualitativ hochstehenden Behandlungen verteidigen und keine Entscheidungen mit Blick auf ihren Geldbeutel treffen.»
Neue Akteure in Sicht
Parallel zu diesem politischen Kontext voller Umwälzungen bemerkt man im Gesundheitssektor neue Akteure. Der Präsident erwähnt zum Beispiel den Hausbereitschaftsdienst MedHome, oder MedGate, das sich auf Telefonkonsultation spezialisiert hat. MFÄF arbeitet mit beiden Dienstleistern zusammen. «Sie kämpfen dafür, dass die Patienten im Kanton bleiben und folglich die Ärzte ebenso, denn beide gehören zusammen», erklärt Dr. Michel. Er zeigt sich hingegen kritischer gegenüber Akteuren wie der Migros, die am Freiburger Bahnhof MedBase eingerichtet hat: «Die Migros sollte sich aus dem Gesundheitssektor heraushalten», betont der Präsident. «Dieses Unternehmen reisst zu viel Macht an sich. Dies wird zu einem gesellschaftlichen Problem mutieren, da es den lokalen Märkten in vielen Bereichen durch Preisunterbietungen die Luft abschnürt.»
Dr. Michel ist sich bewusst, dass diese neuen Akteure gerade eben auf dem Freiburger Gesundheitsmarkt aufgetaucht sind. Er schätzt, dass man noch ein paar Jahre abwarten müsse, bevor deren Auswirkungen messbar sein werden. Dr. Rémy Boscacci fügt hinzu, dass die Nutzung neuer Technologien wie der Telemedizin immer weiter verbreitet sei. Diese Technologien böten zwar eine Möglichkeit zur besseren Behandlung der Patienten, man müsse aber besonders auf die Qualität der angebotenen Leistungen achten.
Der Präsident von MFÄF meint, dass der Gesundheitsmarkt in nicht allzu ferner Zukunft wegen der Telemedizin unter Anwendung von künstlicher Intelligenz – entwickelt von den GAFAM (Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft) – eine Revolution erleben wird.MFÄF hat nun die Rolle, seine Mitglieder bestmöglich auf diese wohl unausweichliche Entwicklung vorzubereiten und die sich daraus ergebenden Gelegenheiten zu nutzen.
In der Zwischenzeit kann MFÄF auf den FAV zählen, um seine alltäglichen Aufgaben zu meistern. «Der FAV gewährleistet den Fortbestand des Sekretariats», erklärt der Präsident zufrieden. Er fügt hinzu, dass er das schnelle Reagieren und die Fähigkeit zur Lösungsfindung, die ihm dieses professionelle Sekretariat
biete, besonders schätze.
MFÄF und das Coronavirus
MFÄF hat eine sehr intensive Zeit hinter sich, denn der Verband wurde während der Coronapandemie besonders in Anspruch genommen. So wurde eine kantonale Taskforce mit dem HFR, den politischen Vertretern, MFÄF, den Kliniken, den gefährdeten Einrichtungen, dem Kantonsapotheker sowie dem Oberamtmann auf die Beine gestellt, um dem Staatsrat beratend zur Seite zu stehen. «Wir wussten, dass die Pandemie kommen würde, auch wenn sie uns schliesslich wie ein Tsunami getroffen hat», bestätigt Rémy Boscacci, Vizepräsident des MFÄF. Aufgrund der Dringlichkeit der Situation wurden Krankenhauseinweisungen auf kantonaler Ebene koordiniert. Es wurde ein Verfahren mit vier kantonalen Testzentren eingeführt, um die Patienten zu den verfügbaren Plätzen zu weisen. Dies hat eine Tür zwischen den Konkurrenten geöffnet und ist gemäss Jean-Marie Michel, Präsident von MFÄF, ein gutes Zeichen: «Wir waren zur Koordination untereinander fähig, was einen grossen Fortschritt darstellt, auch wenn dies nach der Rückkehr zu normalen Abläufen nicht mehr der Fall war. Die Tür wird von nun an nie mehr völlig verschlossen sein.»
Während dieser Zeit rückte die Gesundheit in den Vordergrund, noch vor derWirtschaft und der Erziehung. War das gerechtfertigt? «Das Ziel war, so viele Patienten wie möglich zu retten und dafür durften die Intensivstationen nicht überlastet werden», geben Dr. Michel und Dr. Boscacci zur Antwort. Letzterer gibt zu bedenken: «Die Gesundheit an die erste Stelle zu rücken, ist ein Luxus und wir werden nicht viele solcher Gelegenheiten erhalten.» Auf gesundheitlicher Ebene waren die getroffenen Entscheidungen notwendig, doch die beiden Praxisärzte zeigen sich skeptischer, was die Folgen der aktuellen Politik anbelangt. «Es ist heute schwierig sich vorzustellen, welche Auswirkungen diese Politik in den kommenden zehn Jahren auf die Gesellschaft haben wird», bekräftigt Dr. Michel.