Bernard Perritaz, seit elf Jahren Präsident der AFOCI, hat schon viele Lernende ausgebildet. Er schätzt die Zahl der Jugendlichen, die er in seiner Zeit als Versicherungsvertreter betreut hat, auf rund 50. Es war für ihn deshalb selbstverständlich, sich als Präsident dieser Vereinigung, welche die überbetrieblichen Kurse für die angehenden Kaufleute im Kanton Freiburg organisiert, zur Verfügung zu stellen. Für ihn ist der menschliche Faktor entscheidend für eine gelungene Lehre. «Wir haben ausgezeichnete junge Leute, aber man muss ihnen genug Zeit zum Lernen einräumen und sich Zeit nehmen, sie über ihren Beruf aufzuklären.» Er ergänzt: «Man muss sie reden lassen, sich engagieren und ihnen zuhören.» Es kam vor, dass Lehrlinge Fehler in den Abläufen ausmachten. «Sie hatten völlig recht», erinnert sich Bernard Perritaz mit Stolz.
Gegründet wurde die AFOCI 1994, nachdem der Direktor der Dienststelle für Berufsbildung Vertreter verschiedener Verbände eingeladen hatte, Einführungskurse für angehende Kaufleute zu erarbeiten. Nach der erfolgreichen Testphase wurde die AFOCI im Juli 1994 gegründet. Somit bot Freiburg als erster Kanton solche Kurse an, aus denen sich später die überbetrieblichen Kurse entwickeln sollten. Bernard Perritaz erklärt: «Die AFOCI wurde im Interesse der Lehrlinge gegründet, um ihre Ausbildung zu vereinheitlichen und diesbezügliche Diskrepanzen zu verhindern.»
Für ihn hat sich das duale System bewährt. Länder wie Frankreich würden uns sogar darum beneiden. «Wir sind auf dem richtigen Weg», erklärt der Präsident. Die Stärke des Systems liege in der Ergänzung von Praxis und Theorie. «Wenn sie ihr EFZ erhalten, sind die Jugendlichen geerdet und sie kennen ihren Beruf auch in der Praxis.» Natürlich müssten sie sich später – wie alle anderen auch – weiterbilden.
Kopfzerbrechen
Die Vereinigung plant die üK, stellt die Berufsbildner ein und stellt die Schulräume und das Schulmaterial zur Verfügung. Sie organisiert auch die Abschlussprüfungen, beteiligt sich aber nicht an der Ausarbeitung der Ziele für die verschiedenen Branchen. Insgesamt betreut die AFOCI jährlich rund 800 Lernende. Diese verteilen sich auf die Branchen Öffentliche Verwaltung, Dienstleistung und Administration sowie Versicherungen. Die Kurse finden in Freiburg, Bulle und an der Schule Gambach (Handelsmittelschule, Modell 3+1-Praktikanten) statt.
Um mit der Zeit zu gehen, musste sich die AFOCI der Digitalisierung stellen. Sie wagte den Sprung 2018. Bis zu diesem Zeitpunkt oblag die Verwaltung einem unabhängigen Büro mit zwei administrativen Mitarbeiterinnen. Verschiedene Dachorganisationen, darunter die Branche Öffentliche Verwaltung (OVAP), verlangten von der AFOCI jedoch einen Qualitätsnachweis. Dies erforderte ganz klar eine Digitalisierung, erklärt Bernard Perritaz. Er habe versucht, eine digitale Plattform zu entwickeln, aber sie habe sich als zu teuer erwiesen:«Wir haben uns entschieden, dem Freiburger Arbeitgeberverband das Sekretariat anzuvertrauen, da er Erfahrung auf dem Gebiet hat und über das notwendige Rüstzeug verfügt, um die geforderten Qualitätsstandards zu gewährleisten.» Zusätzlich zur Digitalisierung habe die AFOCI eine Website entwickelt, von der die Lernenden ihren Unterrichtsstoff sowie verschiedene andere Informationen, die für einen reibungslosen Ablauf der üK notwendig sind, abrufen können. «Einigen mag es unbedeutend erscheinen, aber tatsächlich haben wir einen gewaltigen Schritt hingelegt», betont Bernard Perritaz, der mit Genugtuung feststellt, dass die Vereinigung mittlerweile läuft wie ein Uhrwerk.
In Zukunft wird die AFOCI das Projekt Kauffrau/Kaufmann 2022 stemmen müssen. Diese Reform möchte die schulische Grundbildung vermehrt an den Bedürfnissen des Marktes orientieren und somit die Attraktivität der Lernenden steigern. Konkret soll ihnen in der Arbeit und im Lernprozess mehr Autonomie gewährt werden, insbesondere durch den Einsatz digitaler E-Learning-Plattformen wie Konvink. Das Projekt sieht ebenfalls vor, zwei Fremdsprachen statt wie bisher eine zu unterrichten. Es fokussiert auf die drei Hauptstützen der Berufsbildung: Schulen, Unternehmen und üK. Gegenwärtig lassen sich die Auswirkungen der Reform auf die überbetrieblichen Kurse nicht genau abschätzen, aber es zeichnet sich ab, dass die Anzahl der üK-Tage angepasst werden könnte, ebenso die Kursinhalte. Man wird diese in Einklang mit den neu zu erstellenden Zielen bringen müssen. Die genaue Umsetzung wird in den nächsten Monaten bestimmt, da die Einführung auf 2023 geplant ist. Dies lässt dem AFOCI-Team Zeit, sich optimal vorzubereiten.
Die AFOCI in COVID-Zeiten
Das Coronavirus hat der Vereinigung zur Organisation überbetrieblicher Kurse (AFOCI) so einiges Kopfzerbrechen bereitet. Vereinspräsident Bernard Perritaz berichtet, im Frühjahr 2020 hätten sich 45 überbetriebliche Kurse im Verzug befunden. Einige Berufsbildner hätten ihre Kurse videokonferenztauglich gemacht, andere hätten die Verspätung zu Schulbeginn 2020/2021 wettgemacht. Dadurch seien nun alle auf demselben Stand. Trotzdem wurden die beiden letzten Schuljahre gehörig durchgerüttelt.
Wie denken Sie über die Bezeichnung Generation COVID, welche die Presse in Bezug auf diese Jahrgänge anwendet? «Die Vorstellung, die jungen Leute hätten ein Ramschdiplom erhalten, ist einfach lachhaft.» Der Präsident erklärt mit Nachdruck, die Abschlussprüfungen spiegelten schliesslich drei Jahre Arbeit wider. Er meint zudem, die Arbeitswelt habe auf die Pandemie gut reagiert. Man habe 2020 gesamthaft mehr Lehrverträge abgeschlossen als 2019. Das beweise wohl den Willen der Unternehmen, vorwärts zu blicken