Da es im Bereich der Digitalisierung einen Aufholbedarf gab, wurde von der Hochschule für Wirtschaft Freiburg und dem Freiburger Arbeitgeberverband das Programm FriDigital ins Leben gerufen. Dieses Programm umfasst auch ein «Werkzeug» – nämlich den Digital Check. Für Ralph Tschümperlin, den Direktor von Variotechnik AG, einem in Schmitten ansässigen Unternehmen mit rund zwanzig Mitarbeitern, das in den Bereichen der Abdichtungstechnik und thermischen Isolierung in erster Linie von Flachdachsystemen tätig ist, war dies ein unverhoffter Glücksfall. «Ich habe verschiedene Ausbildungen absolviert und habe mich stets für die Digitalisierung, insbesondere im Bereich des Marketings interessiert,» erläutert der Direktor. Ende 2020 beschliesst er, den Digital Check durchzuführen. Er erklärt, dass es wichtig für ihn sei, eine Ansicht von aussen zu erhalten und sich selbst in Frage zu stellen, wenn er in die Zukunft blickt. Da der Vorgang jedoch noch nicht abgeschlossen ist, können noch keine Schlussfolgerungen gezogen werden.
Dennoch nutzt Variotechnik AG bereits das digitale Marketing sowie die digitale Kommunikation. Ralph Tschümperlin möchte zudem in naher Zukunft bestimmte internen Vorgänge anpassen, indem eine neue Verwaltungssoftware für Angebote, Buchhaltung, Baustellen- und Stundenverwaltung oder auch die Digitalisierung von Unterlagen genutzt wird. «Ich möchte nicht alle Programme auf einmal ändern», betont der Direktor. «Wir werden neue Module Schritt für Schritt installieren und sie dann miteinander verbinden.» In Zukunft könnte somit eine ERP (integrierte Verwaltungssoftware) implementiert werden. Der Direktor gibt zu: «Ich bin noch ein wenig vorsichtig. Ich arbeite gerne mit gewissen Absicherungen. Derzeit ist jedes System unabhängig, wodurch man eventuelle Fehler rasch entdecken und beheben kann. Bei Problemen funktioniert jedes Programm autonom weiter und wir sind nicht blockiert.» Er weiss jedoch, dass dadurch manche Daten mehrfach bearbeitet werden. Ralph Tschümperlin hofft, durch diesen Digitalisierungsprozess an Effizienz zu gewinnen, sich neue Marktchancen zu eröffnen und konkurrenzfähig zu bleiben.
Der Direktor von Variotechnik AG bindet sein Personal in diese Neugestaltung ein. «Die Mitarbeiter werden in die Projekte einbezogen und ich berücksichtige ihre Ideen; diese Arbeitsweise führt uns zu guten Ergebnissen», erläutert er. Doch für das Unternehmen, das auf Baustellen arbeitet, hat die Digitalisierung ihre Grenzen. «Manche Vorgänge funktionieren gut ohne Digitalisierung und manche Arbeiter fühlen sich mit der Informatik nicht recht wohl», so der Direktor. «Mit der Zeit wird sich das ändern.»
Sich entwickeln oder untergehen
Diese Geschichte ähnelt der von Zbinden Posieux SA, einem Unternehmen, das rund hundert Angestellte an seinem Standort in Posieux und im Kanton Obwald beschäftigt und in der Gestaltung, Ausarbeitung und Herstellung von Fahrzeugen, Karosserien und Anhängern tätig ist. Der technische Direktor Benoît Zbinden hat 2019 beschlossen, den Digital Check durchzuführen. Er erklärt: «Es war mir wichtig, den Blick von externen Personen mit Topkenntnissen im Bereich der Digitalisierung zu nutzen. Das bot mir die Gelegenheit, unsere internen Abläufe zu überdenken.» Die Analyse richtete sich vor allem auf die Unternehmensverwaltung. «Das war mein Wunsch, denn dieser Bereich entwickelt sich in allen KMU zu einer immer grösseren Kostenstelle,» verdeutlicht Benoît Zbinden. Dank dem Digital Check wurden Lösungen vorgeschlagen, die aber wegen dem Coronavirus noch nicht umgesetzt werden konnten. Die Produktion von Zbinden Posieux SA wurde zwar 2020 ungebremst weitergeführt, doch die Arbeit musste neu organisiert und strikte Schutzpläne mussten aufgestellt werden.
Nach dieser Verzögerung plant die Firma ihre Digitalisierung fortzuführen, indem sie ihr ERP erneuern wird. «Durch diese neue Software werden wir die Verwaltungs- ebenso wie die Produktionsabläufe digitalisieren können», präzisiert der technische Direktor, erfreut darüber, das richtige Werkzeug für eine herstellende Schweizer KMU gefunden zu haben. Diese Lösung sei vom Personal mit Enthusiasmus begrüsst worden. «Sie sind zufrieden, denn die Digitalisierung entlastet sie von eintönigen Aufgaben», meint Benoît Zbinden und fügt hinzu, dass in der Produktion zur Freude des Teams bereits ein Schweissroboter eingesetzt werde.
Die beiden Unternehmensleiter anerkennen, dass die Digitalisierung wichtige Investitionen an Geld oder auch Zeit erfordere. «Das ist kein Projekt, dass man innert drei Monaten erledigt», unterstreicht Benoît Zbinden und meint: «Die geplante Software ist von der neuesten Generation. Es handelt sich um eine offene Lösung, die sich unseren Ideen und denen unseres Partners, der die Software entwickelt, mit der Zeit anpassen wird.» Er meint, wenn man dies im Kopf behalte, sei man auf die zukünftigen Investitionen vorbereitet.
Auch Ralph Tschümperlin bereiten diese Investitionen keine Sorgen. «Sie sind notwendig und unausweichlich», bestätigt er. «Wir müssen uns als Unternehmen vorwärts bewegen, oder wir gehen unter.» Benoît Zbinden stimmt zu: «Weder die Schweizer noch die ausländische Konkurrenz schläft. Deshalb bleibt uns keine andere Wahl, als uns weiterzuentwickeln, selbst wenn es für uns KMU sehr schwierig ist.»
Digital Check: Ein Werkzeug zum Nutzen der Unternehmen
Im konkreten Fall führen die Digital Check-Experten Gespräche mit dem Direktor sowie den Mitarbeitern eines Unternehmens durch. «Wir sammeln Rückmeldungen, durch die wir Prioritäten setzen und entsprechend der Unternehmenssituation konkrete Vorschläge machen können», erklärt Jean-Marie Ayer, Verantwortlicher des Digital Check an der Hochschule für Wirtschaft Freiburg (HSW-FR). Schon vor der Coronakrise hat rund ein Dutzend Unternehmen an dieser Lösung Interesse gezeigt. «Sie waren neugierig, aber wir wissen auch, dass sie bei der Umsetzung unserer Vorschläge manchmal zögerlich sind». Er betont die Problematik der Digitalisierungskosten und den Mangel an Kompetenzen in den Unternehmen. Zur Behebung des Letztgenannten möchte die HSW-FR ein Certificate of Advanced Studies (CAS) in digitaler Transformation auf die Beine stellen. Dabei sollen Personen ausgebildet werden, welche die technischen, kommerziellen und auch menschlichen Aspekte der Digitalisierung beherrschen. «Die Firmendigitalisierung ist transversal und kann die gesamte Funktionsweise eines Unternehmens in Frage stellen. Daher muss sie unbedingt von den Mitarbeitenden mitgetragen werden», unterstreicht J.-M. Ayer.
Die Anfragen für einen Digital Check kamen während der Coronakrise zum Stillstand, obwohl die Krise er in mehreren Unternehmen den Weg zur Digitalisierung geebnet hat. J.-M. Ayer stellt klar: «Die Unternehmen mussten Dringendes wie die Einrichtung der Heimarbeit erledigen; dies hat einen Grossteil ihrer Ressourcen gebunden, doch in der Zeit nach Covid-19 wird es vieles aufzuholen geben, das ist sicher.»
Der Digital Check kann in allen Strukturen, egal welcher Grösse, durchgeführt werden. Aber kann alles digitalisiert werden? «Rein technisch, ja.» J.-M. Ayer antwortet ohne zu zögern. «Doch menschlich und wirtschaftlich gibt es insbesondere kulturelle Grenzen bei der Umsetzung.» Er fährt fort: «Die Digitalisierung ist nicht immer wünschenswert und auch nicht immer die beste Lösung.»