Telearbeit: Sind Arbeitgeber zu blindem Vertrauen verpflichtet?


Die Pandemie hat unsere gewohnte Arbeitsweise über den Haufen geworfen. Telearbeit wurde von einem Tag auf den Anderen hochaktuell. Bleibt den Arbeitgebern nichts anderes übrig, als ihren Mitarbeitenden daheim zu vertrauen? Nicht ganz! Unter Einhaltung gewisser Grundsätze ist Überwachung erlaubt, dennoch sollte man der Versuchung widerstehen, Spyware anzuwenden. Zwar könne diese die Tätigkeiten der Arbeitnehmer aufzeichnen, aber sie hat einen grossen Nachteil: sie ist illegal.

Auch wenn nur wenige Mitarbeiter ganz auf Heimarbeit umstellen möchten, erfreut sie sich grosser Beliebtheit, insbesondere in Abwechslung zur Präsenzarbeit. Erhöhte Flexibilität, keine vergeudete Zeit im Stau und ein besseres Gleichgewicht von Arbeit und Privatleben sind bloss einige der Vorteile der Telearbeit. Zudem ist sie ein effizientes Mittel zur Eindämmung von COVID-19. Doch wie sieht es auf der Arbeitgeberseite aus?

«Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!»

Dieses russische Sprichwort, dem Lenin und Ronald Reagan zu einiger Bekanntheit verholfen haben, scheint auch die Devise diverser Unternehmer zu sein, jedenfalls auf der anderen Seite des Atlantiks. Im Frühjahr 2020 verfünfzigfachte sich in den USA der Verkauf von Software, mit welcher sich die Computer der Angestellten ausspionieren lassen. Die technischen Möglichkeiten sind vielfältig: einige erfassen die Zeit, die man auf einem Programm oder einer Website verbracht hat, andere senden dem Vorgesetzten alle fünf Minuten Screenshots und einige fotografieren oder filmen die Angestellten. Es ist für jeden etwas dabei.

Dass ein Arbeitgeber sicherstellen möchte, dass sich seine Angestellten daheim effizient ans Werk machen, ist durchaus legitim, die Unternehmen müssen schliesslich wettbewerbsfähig bleiben. Aber wie lässt sich ermitteln, ob die Mitarbeiter produktiv arbeiten, ohne sie ständig unter Druck zu setzen und ihre Persönlichkeitsrechte zu verletzen?

Die Grenzen der Überwachung

Die Überwachung der Angestellten untersteht strengen Regeln. Gemäss Art. 26 der Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz (ArGV 3) dürfen Überwachungs- und Kontrollsysteme, die das Verhalten der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz überwachen sollen, nicht eingesetzt werden. Inwiefern die Überprüfung der Produktivität – und nicht des Verhaltens – gestattet ist, kann im Obligationenrecht (OR) und im Datenschutzgesetz (DSG) nachgeschlagen werden. Wenn der Arbeitgeber nämlich überwacht, bearbeitet er Daten. Nach Art. 328b OR darf er Daten des Arbeitnehmers nur soweit bearbeiten, wie sie zur Durchführung des Arbeitsvertrages erforderlich sind. Dem Arbeitgeber kann ein berechtigtes Interesse daran zugestanden werden, dass der Angestellte daheim korrekt und effizient arbeitet. Aber auch wenn ein übergeordnetes Interesse an der Überwachung besteht, muss sich diese am DSG orientieren. Konkret muss sie die Verhältnismässigkeit wahren und von der überwachten Person als solche erkannt werden.

Einige Beispiele

Die ständige Überwachung über eine Webcam erfüllt die obigen Kriterien nicht, weshalb sie verboten ist. Ebenso Spyware, welche die Anschläge zählt, jeden Websitebesuch in Echtzeit speichert oder alle fünf Minuten Screenshots erstellt. Diese Tools sind strengstens verboten, selbst wenn der Arbeitnehmer seine Zustimmung erteilt haben sollte. Da sich dieser gegenüber dem Arbeitgeber in einem Abhängigkeitsverhältnis befindet, gilt seine Zustimmung nämlich nicht als frei und informiert. Dem Arbeitgeber stehen andere, weniger einschneidende Möglichkeiten zu Verfügung: Verlangen eines wöchentlichen Tätigkeitsberichts, nachträgliche Überprüfung, ob der Mitarbeiter während der Arbeitszeit mit dem Server verbunden war, Sperren von Websites oder regelmässiger Kontakt mit dem Arbeitnehmer stehen sind bloss einige Beispiele.

Wenn der Arbeitgeber die auf bestimmten Websites verbrachte Zeit nachprüfen möchte, darf er dies, sofern er sein Personal vorher unterrichtet und konsultiert hat. Der Verhältnismässigkeitsgrundsatz verpflichtet ihn jedoch dazu, jenes Mittel zu wählen, das am wenigstens einschneidend ist und ihm trotzdem erlaubt, das angepeilte Ziel zu erreichen. Gemäss dem Datenschutzbeauftragten ist die tägliche Auswertung der nominellen Logdateien der Mitarbeitenden prinzipiell untersagt. Die personenbezogene namentliche Auswertung ist grundsätzlich nur als ultima ratio und bei festgestelltem Missbrauch gestattet. Es steht dem Arbeitgeber aber frei, eine nichtpersonenbezogene anonyme Auswertung vorzunehmen. Selbstverständlich muss er vorher in einem Reglement über die Internetnutzung festlegen, was zulässig ist und was nicht, um etwaige Verstösse ahnden und Massnahmen ergreifen zu können.

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